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Gericht: Finanzgericht Berlin
Urteil verkündet am 02.02.2005
Aktenzeichen: 6 K 6296/01
Rechtsgebiete: GewStG
Vorschriften:
GewStG § 9 Nr. 1 Satz 2 |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Einbeziehung von Zins- und Wertpapiererträgen in die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 Gewerbesteuergesetz -GewStG-.
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der Erwerb, die Verwaltung und Vermietung von Grundstücken und Erbbaurechten sowie deren Bebauung. Die Klägerin ist u. a. Eigentümerin - Erbbauberechtigte eines im xxx Industriepark Y gelegenen xxx Einkaufsmarktes. Diesen hatte sie an eine Firma B-KG xxx, einer zum X-Konzern gehörenden Firma, vermietet. Ab 1989 zahlte die Mieterin einen Teil des Nutzungsentgeltes in Höhe von 1,8 Mio. DM zuzüglich 14 % Umsatzsteuer ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Mit Urteil vom 30. Oktober 1992 verurteilte das Oberlandesgericht -OLG- in Y die Klägerin als Vermieterin zur Rückzahlung von rd. 2 Mio. DM nebst 8 % Zinsen seit Rechtshängigkeit für das Jahr 1989.
Auch für die nachfolgenden Jahre machte die Mieterin die weiteren Vorbehaltszahlungen jeweils mit einem Zinssatz von mindestens 8 % rechtshängig. Deshalb drohte der Klägerin Ende 1992 neben der Rückzahlung der Vorbehaltszahlungen in Höhe von ca. 8 Mio. DM die Erstattung von Zinsen hierauf in Höhe von rund 1 Mio. DM. Für 1993 drohten der Klägerin weitere Zinszahlungsverpflichtungen von mehr als 760.000,00 DM und für 1994 in Höhe von rund 930.000,00 DM sowie für 1995 in Höhe von knapp 1,1 Mio. DM und für 1997 in Höhe von 1,3 Mio. DM.
In den Jahren 1989 bis 1992 erzielte die Klägerin keine nennenswerten Zinserträge. In den Jahren 1993 bis 1995 legte sie die Vorbehaltszahlungen der Mieterin auf Festgeldkonten an und erzielte Zinserträge in folgender Höhe:
1993 | ca. 700.000,- DM |
1994 | ca. 600.000,- DM |
1995 | ca. 780.000,- DM |
insgesamt | ca. 2 Mio. DM |
Die Klägerin konnte in 1994 erwirken, dass der Bundesgerichtshof -BGH- die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Y aufhob und zur erneuten Verhandlung zurückverwies. Mitte 1997 konnte die Klägerin erreichen, dass der Rechtsstreit mit der Mieterin durch Vergleich beendet wurde. Danach verblieben der Klägerin die bisherigen Vorbehaltszahlungen endgültig. Weder hatte die Klägerin als Vermieterin auf die Vorbehaltsleistungen Rückzahlungen noch die Mieterin Nachzahlungen zu leisten.
Die im Jahre 1997 insgesamt von der Klägerin erzielten Kapitalerträge betrugen 4,6 Mio. DM. Davon wurden nach Abschluss des Vergleichs mit der Fa. B-KG - in 1997 - 1,3 Mio. DM erzielt. Die bis zum Vergleichsabschluss erzielten Kapitalerträge betrugen mithin 3,3 Mio. DM.
Die Klägerin hat die Zinserträge in den Jahresabschlüssen gesondert ausgewiesen. In ihren Gewerbesteuererklärungen beantragte sie die Einbeziehung dieser Zinserträge bis zum Vergleichsabschluss unter die Gewerbesteuerkürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Der Gewerbeertrag der Klägerin belief sich dadurch auf jeweils 0,0 DM.
Abweichend von den Erklärungen wurden vom Beklagten in die Gewerbesteuermess- bzw. Gewerbesteuerbescheide die Zinserträge aus Guthaben bei Kreditinstituten bzw. Wertpapieren in die Kürzungsbeträge gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht mit einbezogen. In dem Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1997 vom 2. Juli 1999 wurden sämtliche Zinserträge in Höhe von 4,6 Mio. DM von der Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ausgenommen.
Dementsprechend wurde die erweiterte Kürzung lediglich in Höhe von rd. 1 Mio. DM (1993), 770.000,00 DM (1994) bzw. 740.000,00 DM (1995) gewährt.
...
Im Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1997 vom 2. Juli 1999 wurde der vortragsfähige Gewerbeverlust auf rd. 6,9 Mio. DM festgestellt.
Zur Begründung ihres Einspruchs trug die Klägerin vor, es handele sich bei den Zinserträgen nicht um Erträge aus eigenem frei verfügbarem Kapitalvermögen, sondern vielmehr um Vorbehaltszahlungen eines Mieters, welche aufgrund eines anhängigen Gerichtsverfahrens mit einem Rückforderungsanspruch behaftet gewesen seien. Da die Mieterin die Rückzahlung zuzüglich 8 % Zinsen gefordert habe, sei sie verpflichtet gewesen, die unter Vorbehalt eingegangenen Gelder zumindest im Wesentlichen gesondert festzuhalten und wegen der geforderten hohen Verzugszinsen darüber hinaus auch bestmöglich festzulegen. Aufgrund der drohenden Rückzahlungsverpflichtung habe sie für die geforderte Rückzahlung und die zusätzlich eingeklagten Zinsforderungen jährliche Rückstellungen gebildet. Während der Dauer des Rechtsstreites habe sie kein eigenes Kapitalvermögen gehabt. Sie vertrat die Auffassung, während der Prozessdauer habe sie nur die Fruchtziehung aus eigenem Grundbesitzvermögen betreiben können. Ein eigenes Kapitalvermögen könne erst im Zeitpunkt der vergleichsweisen Einigung in 1997 entstanden sein. Die Kapitalerträge seien nicht aus der Anlage liquider Geldmittel entstanden.
In seinen zurückweisenden Einspruchsentscheidungen vom 20. Juli 2001 führt der Beklagte aus, nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG könnten Unternehmen, die ausschließlichen eigenen Grundbesitz und neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen, auf Antrag den Gewerbeertrag um einen bestimmten Hundertsatz des Einheitswertes des Grundbesitzes um den Teil des Gewerbeertrages kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfalle.
Die in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG verwendeten Begriffspaare "verwalten und nutzen" und "Verwaltung und Nutzung" seien bedeutungsgleich mit dem einkommensteuerrechtlichen Begriff der (privaten = nicht gewerblichen) Vermögensverwaltung. Eigener Grundbesitz werde daher verwaltet und genutzt, wenn er zum Zwecke der Fruchtziehung aus zu erhaltender Substand eingesetzt werde, z. B. durch Vermietung und Verpachtung.
Die streitigen Zinserträge seien im Rahmen der Verwaltung und Nutzung eigenen Kapitalvermögens erwirtschaftet worden. Der Umstand, dass die Verwaltung der angelegten Beträge ausschließlich aufgrund der drohenden Rückzahlungsverpflichtung erfolgt sei, ändere daran nichts. Die Klägerin habe keine Einkünfte aus der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes, sondern insoweit Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Einkommensteuergesetz -EStG- und damit aus der Verwaltung und Nutzung von Kapitalvermögen im Sinne von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erzielt. Der Bundesfinanzhof -BFH- habe in seinem Urteil vom 18. November 1980, VIII R 1994/78, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE- 132, 522, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1981, 510, 515 unter 2. d entschieden, dass Zinsen aus der Anlage vereinnahmter Mieten im allgemeinen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören, weil die verzinsliche Anlage nicht mehr im Zusammenhang mit der Vermietung stehe und deswegen nicht hinter den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zurücktrete (vgl. § 20 Abs. 3 EStG).
Die Vorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG stelle insoweit in ihren Regelungsvoraussetzungen allein darauf ab, dass Kapitaleinkünfte neben der eigentlichen Grundstücksverwaltung und -nutzung als der begünstigten Tätigkeit erzielt werden, nicht jedoch darauf, aus welchen objektiven Sachzwängen oder subjektiven Beweggründen dies geschehe, auch dann nicht, wenn die Verwaltung und Nutzung des Kapitalvermögens der Grundstücksverwaltung bei Zugrundelegung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise nützlich sei und diene. Ziel der Vorschrift sei es lediglich, die Kapitalanlage als kürzungsunschädlich zu erlauben, ohne jedoch die daraus erzielten Erträgnisse ihrerseits in den Kürzungsumfang einzubeziehen.
Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingelegte Klage. Die Klägerin ist der Auffassung, entgegen der Beurteilung durch den Beklagten seien die erzielten Zinserträge noch der ordnungsgemäßen Grundbesitzverwaltung zuzuordnen. Bis zum Abschluss des gerichtlichen Vergleichs Mitte des Jahres 1997 hätten weder die erzielten Kapitalerträge die aus der Grundbesitzverwaltung drohenden Zinszahlungsverpflichtungen gedeckt, noch hätten die insgesamt festgelegten Gelder zur Deckung der aus der Grundbesitzverwaltung der Mieterin gegenüber drohenden Zahlungsgesamtverpflichtungen ausgereicht. Damit aber habe die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum gerade nicht über eigenständiges disponibles Kapitalvermögen neben ihrem Grundbesitzvermögen oder über disponible Kapitalerträge verfügt, wie dies für die Einschränkung der Gewerbeertragskürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erforderlich sei. Vielmehr seien aus den genannten besonderen Gründen die verzinsliche Geldanlegung und die Erzielung der Kapitalerträge in Erfüllung einer aus der Grundbesitzverwaltung entstandenen Rechtspflicht erfolgt und hätten deshalb zur ordnungsgemäßen Grundbesitzverwaltung gehört. Anders als im Fall des BFH in seinem Urteil vom 15. März 2000, I R 69/99, BStBl II, 2000, 355 seien nicht bereits endgültig erzielte, frei verfügbare Mieterträge der Einkommensverwendung durch Geldanlagen zugeführt worden.
Die streitbefangenen Erträge seien ferner deshalb der Grundbesitznutzung im Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zuzuordnen, weil die Erzielung dieser Erträge, anders als in der Entscheidung des BFH vom 15. März 2000, kein bloßer Sachzwang gewesen sei, sondern vielmehr die Zuordnung dieser Erträge zu den in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG abstrakt normierten "Nutzungen aus eigenem Kapitalvermögen" dazu führen würde, dass die Klägerin aufgrund fremdbestimmter Entscheidungen gewerbesteuerpflichtig würde. Die Vorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG gehe nach ihrer Entstehungsgeschichte sowie ihrem Sinn und Zweck von der selbstbestimmten Entscheidung des Steuerpflichtigen aus, nicht nur eigenen Grundbesitz, sondern daneben auch eigenes Kapitalvermögen zu nutzen. Im Streitfall sei der Klägerin jedoch die Erzielung von Kapitalerträgen aufgezwungen worden. Würden auch solche aufgezwungenen Kapitalerträge der gewerbesteuerpflichtigen Kapitalnutzung im Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zugeordnet werden, obwohl sie durch die Grundbesitzverwaltung veranlasst seien, entstünde eine Gewerbesteuerpflicht der Klägerin, obwohl es an einer freiwilligen Entscheidung über die Nutzung eigenen Kapitalvermögens fehle. Ein derartiges Ergebnis sei durch die Vorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erkennbar nicht gewollt.
Ferner seien die streitbefangenen Erträge auch deshalb der Grundbesitznutzung zuzuordnen, weil es mit Sinn und Zweck des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG unvereinbar sei, die durch das Verhalten des Mieters ausgelöste Verpflichtung zur Rückstellungsbildung zu bejahen und gleichzeitig die hieraus erzielten Erträge von der Kürzung auszuschließen. Ziel der Kürzungsvorschrift sei deshalb die Förderung der Verwaltung eigenen Grundbesitzes dadurch, dass alle durch die Nutzung eigenen Grundbesitzes verursachten Erträge von der Gewerbesteuer ausgenommen seien. Wenn das Gesetz vor dem Hintergrund dieses Förderungszweckes normiere, dass bei Verwaltung eigenen Kapitalvermögens neben Verwaltung eigenen Grundbesitzes die Gewerbesteuerkürzung für die Grundbesitzerträge erhalten bleibe, die Kapitalerträge jedoch gewerbesteuerpflichtig seien, so folge daraus u. a. auch, dass es sich bei der als Verwaltung eigenen Kapitalvermögens umschriebenen Nutzung um die Verwaltung und Nutzung einer von der Verwaltung eigenen Grundbesitzes verschiedenen, mit einer gewissen Selbstständigkeit ausgestatteten weiteren Vermögensmasse handeln müsse. So werde in der einschlägigen Kommentarliteratur als Voraussetzung ein "Nebeneinander" bzw. eine "Gleichzeitigkeit" der Nutzung von eigenem Grundbesitz und der Nutzung eines davon verschiedenen Kapitalvermögens verlangt.
Abschließend vertritt die Klägerin die Auffassung, der Beklagte habe das in § 7 GewStG verankerte Nettoprinzip verletzt. Der Beklagte unterwerfe den Bruttobetrag der Zinseinnahmen der Gewerbesteuer und ordne gleichzeitig die streitigen Erträge durch die Anlage der Gelder der Kapitalvermögensnutzung zu. Wegen des fortbestehenden Ursachenzusammenhangs zwischen den drohenden Zinsrückzahlungen und den erzielten Zinserträgen verletzte der Beklagte durch diese Beurteilung das Nettoprinzip. Das sei weder mit § 7 GewStG noch mit einer verfassungskonformen Auslegung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG vereinbar.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer für 1993 vom 15. Mai 1998, für 1994 vom 29. April 1998 und für 1995 vom 4. Mai 1998 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2001 dahingehend abzuändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag, die Gewerbesteuer und die Zinsen jeweils auf 0,00 DM festgesetzt werden,
den Bescheid vom 15. Mai 1998 für 1993 über die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrages, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2001 aufzuheben,
den Bescheid vom 2. Juli 1999 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Verlustes auf den 31. Dezember 1997, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2001 dahingehend abzuändern, dass der vortragsfähige Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 1997 in Höhe von 10.293.741,00 DM festgesetzt wird,
sowie
die Hinzuziehung des Bevollmächtigten der Klägerin für das Vorverfahren nach § 139 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung -FGO- für notwendig zu erklären,
sowie
hilfsweise,
die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er nimmt Bezug auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidungen vom 20. Juli 2001 und trägt ergänzend vor, der Begriff des Grundbesitzes im Sinne von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG richte sich nach den Vorschriften des Bewertungsrechts. Danach seien als Grundbesitz unter anderem Betriebsgrundstücke anzusehen, nicht jedoch Kapitalforderungen. Diese gehörten zum sonstigen Vermögen.
Eigener Grundbesitz werde dann verwaltet und genutzt, wenn er unmittelbar zum Zwecke der Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz eingesetzt werde. Nutzungen in diesem Sinne seien z. B. die Vermietung oder Verpachtung oder die Belastung eines Grundstücks mit einem Erbbaurecht, aber auch die Nutzung des Absicherungspotentials des Grundbesitzes bei der Belastung des eigenen Grundbesitzes gegen Entgelt zur Absicherung der Schuld eines Dritten. Unmittelbare Quelle dieser Gewerbeerträge sei stets das eigene Grundvermögen.
Dem eigenen Grundvermögen könnten demzufolge aber als Früchte niemals Kapitalerträge entspringen. Im Rahmen privater Vermögensverwaltung sei Quelle von Kapitalerträgen vielmehr stets das sonstige Vermögen im Sinne von § 110 ff. Bewertungsgesetz -BewG-, denn eine Zugehörigkeit von Kapitalforderungen jedweder Art zum Grundvermögen sei nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen nicht denkbar. Wenn also, wie im Fall der Klägerin, die Anlage des Geldvermögens in Erfüllung einer aus der Grundbesitzverwaltung entstandenen Rechtspflicht erfolgt sei und es sich somit nicht um frei verfügbares Vermögen handele, könne dies aus o. g. Gründen nicht dazu führen, dass die Kapitalerträge der Nutzung und Verwaltung des Grundbesitzes zuzurechnen seien.
...
Dem Gericht haben die vom Beklagten für die Klägerin geführten Steuerakten (zwei Bände Bilanzakten, ein Band Vertragsakten, ein Band Gewerbesteuerakten) vorgelegen, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.
Gründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angegriffenen Steuerbescheide verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Klägerin stehen in den Streitjahren die erweiterten Kürzungsbeträge gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in dem begehrten Umfang nicht zu.
Nach der Vorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG können Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen auf Antrag den Gewerbeertrag um den Teil des Gewerbeertrags kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass es sich bei der Klägerin um ein Unternehmen handelt, das diese tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt. Sie verwaltet neben eigenem Grundbesitz lediglich eigenes Kapitalvermögen, das ihr aufgrund von Vorbehaltszahlungen der Mieterin zugeflossen ist. Die Beteiligten streiten jedoch darum, ob die der Klägerin dem Grunde nach zu gewährende erweiterte Kürzung im Sinne von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG sich auch auf jene Erträge erstreckt, die sie durch die Anlage der erhaltenen Vorbehaltszahlungen auf Festgeldkonten erwirtschaftet hat.
Die Vorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG stellt in ihren Regelungsvoraussetzungen allein darauf ab, dass Kapitaleinkünfte neben der eigentlichen Grundstücksverwaltung und Grundstücksnutzung als der begünstigten Tätigkeit erzielt werden, nicht jedoch darauf, aus welchen objektiven Sachzwängen oder subjektiven Beweggründen dies geschieht. Im Rahmen der Anwendung dieser Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob die Verwaltung und Nutzung des Kapitalvermögens der Grundstücksverwaltung bei Zugrundelegung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise nützlich ist und dient (vgl. BFH, Urteil vom 15. März 2000, I R 69/99 a. a. O., sowie Gosch in Blümich, Kommentar zum GewStG, § 9 Rz. 89, Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 5. Aufl., § 9 Nr. 1 Rz. 34). Ziel der Vorschrift ist es lediglich, die Kapitalanlage als kürzungsunschädlich zu erlauben, ohne jedoch die daraus erzielten Erträgnisse ihrerseits in den Kürzungsumfang einzubeziehen. Unschädlich ist jedoch lediglich die Verwaltung und Nutzung eigenen Kapitalvermögens. Nur dieses kann Bestandteil des Betriebsvermögens des Grundstücksunternehmens sein, nur dieses führt zu Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 EStG.
Unter Berücksichtigung der übereinstimmenden Rechtsauffassung in der Rechtsprechung und Literatur, der sich der Senat anschließt, hat der Beklagte die begehrte erweiterte Kürzung zu Recht versagt. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind sämtliche erwirtschafteten Kapitalerträge eines Gewerbebetriebes im Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht Teil des Gewerbeertrages, der auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes entfällt und dementsprechend von dem dem Grunde nach zustehenden erweiterten Kürzungsbetrag des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auszunehmen (vgl. Finanzgericht Berlin, Urteil vom 14. Januar 1998, 6 K 6419/95, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 1998, 1145). Aus dem Wortlaut und dem Ziel des Gesetzes ergibt sich, dass allein auf die Erzielung von Kapitalerträgen abzustellen ist, unabhängig davon, in welcher konkreten engeren Beziehung zur Grundstücksverwaltung diese Kapitalerträge entstanden sind. Es kommt nicht darauf an, ob die erzielten Kapitalerträge für die Grundstücksverwaltung nützlich sind und dieser letztlich dienen. Ebenso wenig kann es für den Streitfall entscheidend sein, ob die Klägerin mit einer Rückforderungsbelastung durch die Mieter rechnen musste. Diese Rückforderungsbelastung hat sich nach Abschluss des Vergleiches auch als unberechtigt herausgestellt. Diese subjektiven Überlegungen der Klägerin bei der Verwendung der zugeflossenen liquiden Mittel sind für die steuerrechtliche Beurteilung, insbesondere der Anwendung der Vorschrift über die begehrte erweiterte Kürzung im Sinne von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ohne rechtliche Bedeutung. Die Anlage der zugeflossenen Mieterträge war nicht Ausfluss der originären Tätigkeit aus Vermietung und Verpachtung, sondern diente der Schadensbegrenzung aus einer möglichen Rückforderung und beruhte auf einer - wirtschaftlich sinnvollen - eigenständigen Entscheidung der Klägerin.
Insoweit sind die Einwendungen der Klägerin unzutreffend, dass durch diese rechtliche Beurteilung das Nettoprinzip verletzt sei und ein fortbestehender Ursachenzusammenhang verkannt werde. Die in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG verwendeten Begriffspaare "verwalten und nutzen" und "Verwaltung und Nutzung" sind bedeutungsgleich mit dem einkommensteuerrechtlichen Begriff der (privaten = nicht gewerblichen) "Vermögensverwaltung". Eigener Grundbesitz wird daher verwaltet und genutzt, wenn er zum Zwecke der Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz eingesetzt wird, z. B. durch Vermietung und Verpachtung (vgl. BFH, Urteil vom 13. August 1997, I R 61/96, BStBl 1998, II, 270). Die gewerbesteuerliche Beurteilung trifft die Entscheidung über den Umfang der gewerbesteuerlichen Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG bei Vorliegen einer vermögensverwaltenden Tätigkeit mit der im Gesetz vorgenommenen Differenzierung nach der Art des verwalteten Vermögens als unmittelbare Quelle für gewerbliche Einnahmen. Entscheidend ist in dem vorliegenden Zusammenhang also mangels einer diesbezüglichen spezialgesetzlichen Regelung - trotz der über § 7 GewStG ansonsten anzunehmenden Kongruenz von Gewerbesteuer- und Einkommensteuerrecht - die Beurteilung nach bewertungsrechtlichen Kriterien. Zu differenzieren ist nur danach, welches bewertungsrechtliche Vermögen verwaltet und genutzt worden ist, d. h. aus welcher Art von Vermögen im Rahmen einer der Sache nach vorliegenden privaten Vermögensverwaltung Früchte gezogen wurden, die dem Betrieb als Gewerbeerträge zugeflossen sind.
Eigener Grundbesitz wird aber (nur) dann verwaltet und genutzt, wenn er unmittelbar zum Zwecke der Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz eingesetzt wird. Nutzungen in diesem Sinne sind z. B. die Vermietung und Verpachtung oder die Belastung eines Grundstücks mit einem Erbbaurecht, aber auch die Nutzung des Absicherungspotentials des Grundbesitzes bei der Belastung des eigenen Grundbesitzes gegen Entgelt zur Absicherung der Schuld eines Dritten. Unmittelbare Quelle dieser Gewerbeerträge ist stets das eigene Grundvermögen. Mit dem eigenen Grundvermögen können demzufolge aber als Früchte niemals Kapitalerträge erwirtschaftet werden. Im Rahmen privater Vermögensverwaltung ist Quelle von Kapitalerträgen vielmehr stets das sonstige Vermögen im Sinne der § 110 ff. BewG, denn eine Zugehörigkeit von Kapitalforderungen jedweder Art zum Grundvermögen ist nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen nicht denkbar.
Aufgrund dieser Zuordnungskriterien sind die von der Klägerin erzielten Kapitalerträge nicht Ausfluss der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes, sondern als Kapitalerträge bei der Ermittlung der erweiterten Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht zu berücksichtigen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Den Wert des Streitgegenstandes hat der Senat gemäß §§ 13 Abs. 2, 25 Gerichtskostengesetz -GKG- a. F. ermittelt.
Die Revision hat das Gericht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.
Ende der Entscheidung
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